Bank muss Motiv von Kunden und Bürgen prüfen
Urteil des Bundesgerichtshofs – Az. XI ZR 539/07
Bei der Finanzierung von Immobilien oder auch bei gewöhnlichen Ratenkrediten, zum Beispiel für den Kauf eines Fahrzeugs oder einer neuen Wohnungseinrichtung – Bürgschaften sind von Kreditinstituten in der Regel gerne gesehen, schließlich erhöhen sie für den Kreditgeber die Sicherheit gegen einen Kapitalverlust enorm.
Und auch für den Kreditnehmer ist die Bürgschaft eine angenehme Sache. Findet er einen Menschen, der für ihn bürgt, so ist er in der Regel fein raus und muss kaum andere Sicherheiten gegenüber der Bank beibringen, um den gewünschten Kredit zu erhalten.
Natürlich muss der Bürge in diesem Zusammenhang bestimmte Voraussetzungen erfüllen, zum Beispiel über ein geregeltes Arbeitseinkommen oder genügend finanzielle Reserven verfügen, so dass das Kreditinstitut darauf im Ernstfall zugreifen kann – nämlich dann, wenn der Kreditnehmer die Raten zur Rückzahlung des Darlehens nicht mehr bedienen kann.
Dies könnte beispielsweise dann der Fall sein, wenn der Kreditnehmer seinen Arbeitsplatz verliert bzw. arbeitsunfähig wird, etwa durch eine Krankheit oder einen Unfall. Manche Kreditnehmer leben aber auch ganz einfach über ihre Verhältnisse und können irgendwann die Raten verschiedenster Darlehen, welche sie in der Vergangenheit aufgenommen haben, schlichtweg nicht mehr bedienen.
Bürgschaft eingehen wegen emotionaler Abhängigkeit
Lange Rede, kurzer Sinn: Wer seiner Bank einen solventen Bürgen bringt, der hat in der Regel keine Probleme, die gewünschte Kreditsumme zu erhalten.
Doch Vorsicht: Nicht immer erfolgt eine Bürgschaft aus reiner Freiwilligkeit des Bürgen heraus. In persönlichen Beziehungen zwischen Menschen ergeben sich häufig gewisse Abhängigkeitsverhältnisse, die dazu führen, dass zum Beispiel Lebens- oder Ehepartner für ihren Partner bürgen, ohne darüber nachzudenken, welche Folgen dies nach sich ziehen kann.
Doch hat in einem solchen Fall auch die Bank eine Mitschuld daran, wenn sie den Bürgern nur sehr oberflächlich betrachtet und nicht zumindest ansatzweise erforscht, aus welchem Hintergrund dieser heraus gebürgt hat? Eine äußerst interessante Frage, mit der sich der Bundesgerichtshof in abschließender Instanz in dem folgenden Fall zu befassen hatte (1).
Klägerin war die Exfreundin eines Mannes, mit dem diese zusammenwohnte und der sie nach eigener Aussage dazu überredete, gemeinsam mit ihm einen Kredit aufzunehmen, mit dem eine Eigentumswohnung finanziert werden sollte. Die Klägerin bezog zu der betreffenden Zeit ein festes monatliches Einkommen und konnte somit problemlos als Bürge angenommen werden.
Nach der Trennung folgt die Klage
Nachdem der Exfreund sie zu der Bürgschaft überredet hatte, übernahm sie jedoch nicht nur diese, sondern unterzeichnete in der Folge auch ein notarielles vollstreckbares Schuldanerkenntnis, in dem sie die persönliche Haftung für die Zahlung des Grundschuldbetrages einschließlich Zinsen und Nebenkosten übernahm.
Nachdem diese Formalitäten geklärt waren, vergab die Bank das gewünschte Darlehen an den Exfreund der Klägerin, womit dieser dann die betreffende Wohnung kaufte. In den Kaufvertrag ließ er sich als Alleineigentümer eintragen.
Es kam schließlich, wie es kommen musste: Nach einer gewissen Zeit trennte sich das Paar und der Exfreund bediente irgendwann die Raten zur Rückzahlung des aufgenommenen Darlehens nicht mehr. Somit versuchte die Bank, seine Freundin gemäß ihrer Funktion als Bürgin in die Pflicht zu nehmen, wogegen sich diese allerdings wehrte.
Als die Bank ihr mit Vollstreckungsmaßnahmen zu Leibe rücken wollte, erhob sie schließlich Klage. Der Fall ging im Anschluss durch alle Instanzen und wurde zuletzt vor dem Bundesgerichtshof verhandelt.
Banken sind verpflichtet, die Motive von Kunden – insbesondere von Bürgen – zu prüfen
Die Richter am BGH folgten den Ausführungen der Klägerin und verneinten somit eine Einstandspflicht. Ihre Begründung: Zunächst einmal hätte die Klägerin keinerlei Nutzen aus dem betreffenden Darlehen gehabt, da dieses ausschließlich dem Wohnungskauf durch den Exfreund zugutekam, und dieser sich als Alleineigentümer in die Unterlagen eintragen ließ.
Dieser Umstand hätte für die kreditgebende Bank ersichtlich sein müssen, ebenso wie der zweite Punkt, den die Richter am BGH nun anführten. Sie stellten das Einkommen der Klägerin zur betreffenden Zeit den für den Wohnungskredit zu zahlenden Raten gegenüber und kamen zu der Ansicht, dass das Einkommen nicht annähernd zur Rückführung der Schulden für die Wohnung ausgereicht hätte.
Auch dieser Umstand hätte der Bank klar sein müssen. Insofern sei es ein klares Versäumnis der Bank, nicht erkannt zu haben, dass die Klägerin lediglich aus einer emotionalen Verbundenheit zum Kreditnehmer für diesen gebürgt habe.
Es sei die Aufgabe der Bank, den Bürgen soweit zu durchleuchten und seine Beweggründe für die Bürgschaft zu erforschen, dass es nicht zu einem solchen Fall wie dem hier dargestellten käme. Den aus der Bürgschaft resultierenden Vertrag sah das Gericht somit als sittenwidrig und damit als nichtig an.
Emotionale Befangenheit befreit von Bürgschaftsschulden
Das hier gesprochene Urteil zeigt eindrucksvoll, dass ein Bürge nicht in jedem Fall für die Verfehlungen des Darlehensnehmers einstehen muss. Nach Meinung des BGH gelten Bürgschaftsschulden immer dann als sittenwidrig und somit nicht durchsetzbar, wenn der Bürge mit dem Schuldner emotional eng verbunden ist.
Gleiches gilt, wenn eine Bürgschaft den Bürgen finanziell stark überfordern würde und sich dies leicht durch Einsicht in die entsprechenden Unterlagen, zum Beispiel in Gehaltsabrechnung etc., nachprüfen und feststellen lässt.
Das Ganze gilt allerdings nur so lange, wie der Bürge keinerlei Eigeninteresse an dem abgesicherten Darlehen hat bzw. entsprechend verwertbares Vermögen besitzt. Im letztgenannten Fall ist die Bank durchaus dazu berechtigt, den Bürgen zum Abtragen der Bürgschaftsschuld heranzuziehen – auch dann, wenn er mit dem Darlehensnehmer emotional verbunden ist.
Somit ist dieses Urteil kein Freibrief für Bürgen, sich im Ernstfall elegant ihrer Verpflichtung zu entziehen. Es betrifft ausschließlich solche Bürgen, die im Ernstfall in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen würden, und die mit der eigentlichen Sache, um die es im entsprechenden Darlehensfall ging, ansonsten nichts weiter zu tun haben.
Quellen und weiterführende Informationen
(1) Bundesgerichtshof – Das Urteil zur Prüfung der Motive von Kunden