Umfrage zum Kreditgeschäft der Banken
Seit Ende 2002 führt das Eurosystem quartalsweise eine Umfrage zum Kreditgeschäft der Banken durch, die sogenannte Bank Lending Survey, kurz BLS. Durch diese Umfrage sollen zusätzliche Informationen für die geldpolitische Analyse gewonnen werden.
Die Banken erhalten einen Fragebogen mit 23 Fragen plus sechs Zusatzfragen zum vergangenen und künftig erwarteten Kreditvergabeverhalten sowie zur Nachfrageentwicklung. Wir haben die Ergebnisse der Umfrage aus den letzten Jahren anhand des Zahlenmaterials der Deutschen Bundesbank grafisch aufgearbeitet.
- Die Kreditstandards für die Gewährung von Krediten an Unternehmen haben sich im 4. Quartal 2023 weiter verschärft.
- Die Margen für Banken bei der Vergabe von Unternehmenskrediten haben sich nach dem Einbruch im 3. Quartal 2023 leicht erholt.
- Die Nachfrage nach Krediten für Unternehmen ist seit vier Quartalen in Folge rückläufig – zuletzt ebenfalls zu sehen während der Finanzkrise 2007.
- Die Standards für die Kreditvergabe an Privathaushalte verschärfen sich jetzt seit sechs Quartalen in Folge.
- Parallel dazu sinkt die Nachfrage der Verbraucher nach Krediten seit fünf Quartalen in Folge.
- Baufinanzierungen an Privathaushalte erleben seit mindestens 2003 eine ungebrochen steigende Nachfrage. Auch im 4. Quartal 2023 ist die Nachfrage gegenüber dem Vorquartal gestiegen. Aber auch hier werden aufrgund des höheren Kreditrisikos verschärfte Kreditstandards erwartet.
- In den Diagrammen meinen bspw. die Zeitangaben 12.2002 das Q4 2002, 03.2003 das Q1 2003 usw.
Kreditstandards für Unternehmen
Frage 1 der Bank Lending Survey bezieht sich auf die Entwicklung der Kreditrichtlinien der jeweiligen Bank für die Gewährung von Krediten an Unternehmen. Der Wert beschreibt jeweils die Veränderung zum vorherigen Quartal. Liegt der Wert über 0 Prozent, haben sich die Kreditstandards verschärft – liegt der Wert unter 0 Prozent, wurden die Standards gelockert.
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Wie Sie sehen, haben die Banken im Zuge der Finanz- und Bankenkrise 2008 die Zügel deutlich angezogen und die Kreditrichtlinien immens verschärft. Dies machte es für Unternehmen zunehmend schwerer, einen Kredit zu erhalten.
In den folgenden Jahren wurden die hohen Standards für die Kreditvergabe weitgehend gehalten. Die Ausschläge sowohl nach oben als auch nach unten sind minimal, sodass Unternehmen weiterhin strikte Richtlinien zu beachten haben, wenn sie einen Kredit erhalten wollen. Während der Niedrigzins-Politik der EZB, die das Kreditgeschäft beleben sollte, wurden die Standards allerdings jährlich gelockert, wenn auch nur vergleichsweise geringfügig. Allerdings stieß die EZB mit ihrer Politik hier an ihre Grenzen.
Mit der Coronakrise, die Deutschland ab März 2020 in voller Härte traf, zogen die Kreditstandards entsprechend ab Q1 abermals stark an. Und dass, obwohl in dieser Zeit deutsche Unternehmen eigentlich mit leicht zugänglichen Finanzierungen unterstützt werden sollten. Als Hauptgrund nannten die teilnehmenden Banken erhöhte Kreditrisiken. Gleichsam trug aber ihrer Aussage nach die Quote notleidender Kredite nur geringfügig zur Verschärfung der Kreditangebotspolitik bei. Für das erste Halbjahr 2021 wird ein restriktiverer Einfluss und somit weitere Verschärfungen bei den Unternehmenskrediten erwartet.
Margen für Unternehmenskredite
Eine weitere Frage bezieht sich auf die Kreditbedingungen der befragten Banken für neue Kredite an Unternehmen. So dreht sich dieser Punkt auch um die Marge für Unternehmenskredite. Diese ergibt sich aus den Refinanzierungskosten und den Betriebskosten der Bank sowie dem Kreditrisiko des Kreditnehmers. Aus diesen drei Bestandteilen ergibt sich der Kreditzins.
Das Kreditrisiko, welches im Rating des kreditsuchenden Unternehmens zum Ausdruck kommt, beschreibt die Marge im engeren Sinne. Je schlechter das Rating, desto höher die Marge. Rutscht der Wert in unserem Diagramm unter die 0 Prozent, so sind die Margen gefallen. Liegt der Wert über 0 Prozent, sind die Margen im Vergleich zum Vorquartal gestiegen.
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Auch hier lässt sich der erwartete Anstieg im Jahr 2008 beobachten. Seit 2014 vermelden die Geldhäuser sinkende Margen, vor allem als direkte Folge der Niedrigzinspolitik. Zuletzt zogen die Margen nach einer langen Durststrecke seit dem ersten Quartal 2019 wieder an. Für Q2 2020 ist ein relativ sprunghafter Anstieg zu beobachten. Die Banken ließen sich das coronabedingt höhere Ausfallrisiko offensichtlich gut bezahlen.
Nachfrage nach Unternehmenskrediten
Wie unsere Statistik „Kredite an Unternehmen“ zeigt, stieg das Volumen der ausgegebenen Kredite an inländische Unternehmen und Selbstständige seit Mitte 2013 an. Gründe für diese Entwicklung, wie zum Beispiel eine steigende Nachfrage, werden ebenfalls im BLS erfragt.
Die Banken mussten dabei angeben, wie sich die Nachfrage nach Krediten an Unternehmen im Vergleich zum vorangegangenen Quartal verändert hat. Liegt der Wert über 0 Prozent, ist die Nachfrage gestiegen. Weniger Nachfrage als noch im Vorquartal gab es, wenn der Wert unter 0 Prozent liegt.
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Die Statistik zeigt: Die Nachfrage nach Krediten an Unternehmen ist da. Und sie steigt nahezu beständig an, lediglich in den Jahren 2012 bis 2014 ging sie etwas zurück. Die Voraussetzungen für ein florierendes Kreditgeschäft scheinen also gegeben. Die Zinsen sind niedrig wie nie und sanken zuletzt immer weiter, die Nachfrage nach Unternehmenskrediten steigt und steigt. Und das, obwohl sich Deutsche-Bank-Chef Sewing bei einem Bankengipfel im Jahr 2019 sicher war, dass kein Mittelständler auch nur einen Cent mehr investieren werde, nur weil Kredite nochmals zehn Basispunkte billiger werden.
Was er damals noch nicht ahnen konnte, war der Ausbruch des Coronavirus und dessen wirtschaftliche Folgen. Aufgrund der Coronakrise sind Unternehmen und Selbstständige wieder sehr abhängig von leicht zugänglichen Finanzierungen geworden. Viele Unternehmen hatten und haben einen hohen Liquiditätsbedarf und und möchten als Vorsichtsmaßnahme finanzielle Puffer aufbauen. Im ersten Quartal 2020 stieg daher die Nachfrage nach Unternehmenskrediten so stark wie noch nie im Betrachtungszeitraum, im zweiten Quartal gab es einen noch größeren Anstieg der Nachfrage. Zuletzt stieg die Nachfrage immer noch an, wenn auch nicht mehr im selben Maße wie Anfang bis Mitte 2020. Die Deutsche Bundesbank geht davon aus, dass vielfach die von der Regierung zugesagten November- und Dezemberhilfen durch Bankkredite vorfinanziert wurden. Gleichzeitig blieb aber die Kreditablehnungsquote auf einem erhöhten Niveau. Davon betroffen waren insbesondere Unternehmen aus stark von der Krise betroffenen Branchen wie dem Gastgewerbe und dem Einzelhandel.
Das größte Hindernis stellen jetzt allerdings die strengen Kreditrichtlinien der Banken dar, die sie sich im Zuge der Finanz- und Bankenkrise 2008 etabliert haben und nun noch einmal deutlich verschärft wurden. Wenig verwunderlich also, dass Unternehmen auf der Suche nach einem Kredit immer häufiger nach alternativen Finanzierungsformen (etwa P2P-Kreditplattformen) suchen.
Standards für Kredite an private Haushalte
Doch nicht nur die Entwicklung der Kreditrichtlinien für Kredite an Unternehmen wurde abgefragt. Auch die Standards der jeweiligen Bank für die Gewährung von Krediten an private Haushalte waren Teil der Bank Lending Survey. Die folgenden Zahlen beziehen sich auf Konsumentenkredite und sonstige Kredite, berücksichtigen aber nicht die Wohnungsbaukredite.
Dabei zeichnet sich ein ähnliches Bild wie bei den Krediten an Unternehmen. Nachdem die Richtlinien nach der Weltwirtschaftskrise deutlich verschärft wurden, ging der Trend zur Beibehaltung bzw. leichten Auflockerung der Standards über.
Ende 2018 wurden die Standards dann doch ein wenig verschärft und bis einschließlich Ende 2019 beibehalten, wo keine Veränderung zu erkennen war (Wert 0,00 Prozent). Mit der Coronakrise hat sich allerdings auch bei den Privatkrediten das Blatt ab dem ersten Quartal 2020 und insbesondere in Q2 2020 deutlich gewandelt, die Kreditstandards wurden auch für private Haushalte stark verschärft. Bei der letzten Umfrage im Dezember 2020 gaben die Teilnehmer allerdings an, dass die Kreditstandards unverändert auf dem hohen Niveau geblieben sind. Es gab keine weitere Erhöhung.
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Nachfrage nach Krediten an private Haushalte
Die Nachfrage nach einem Kredit war bei den privaten Haushalten lange ungebrochen. Ähnlich wie bei den Unternehmern stieg auch die Nachfrage der Privatleute nach Krediten an.
Wie unsere Statistik zu den vergebenen Konsumentenkrediten an Privathaushalte zeigt, stieg das Kreditvolumen der Neugeschäfte ebenfalls an. Je nach Konjunktur machen niedrige Zinsen Kredite noch attraktiver.
Gleichzeitig machte es für viele Verbraucher kaum mehr Sinn, auf einen Wunsch hinzusparen, denn Guthabenzinsen gibt es praktisch nicht mehr. Ganz im Gegenteil: Ein Negativzins auf Spareinlagen scheint entgegen aller Vernunft immer mehr Verbreitung zu finden. Kein Wunder also, dass Investitionen oder Konsumträume mittels Kredit vorgezogen wurden.
Mit Beginn der Coronakrise können hier allerdings zwei Extreme beobachtet werden: Während im ersten Quartal 2020 die Nachfrage nach Privatkrediten deutlich gegenüber dem Vorquartal anstieg, ging sie im zweiten Quartal so weit zurück, wie kaum ein weiteres Mal im Betrachtungszeitraum. Im zweiten Quartal lag der Wert für die Nachfrage nach Privatkrediten bei -43,33 Punkten. Lediglich in Q4 2004 wurde dieser Wert bislang unterboten, mit -50 Punkten. Auch zuletzt war die Nachfrage immer noch rückläufig.
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Nachfrage nach Baufinanzierungen an private Haushalte
Baufinanzierungen erleben seit Jahren eine durchweg ungebrochene und intensive Nachfrage. Selbst in Krisenzeiten gilt das „Betongold“ grundsätzlich als sichere Anlage und teilweise sind vor allem dann besondere Schnäppchen auf dem Markt zu finden. Aus diesem Grund schien nicht verwunderlich, dass sich der Wert für Q1 2020 auf einem ähnlichen Niveau wie in den Vorquartalen befand und dass trotz Coronakrise die Nachfrage nach Immobilien und passenden Finanzierungen anhielt.
Doch mit Q2 2020 folgte dann die Überraschung, die Nachfrage privater Haushalte nach Baufinanzierungen war erstmals seit Jahren weniger stark angestiegen. Ist das nun das Ende des Baufinanzierungs-Booms? Den Zahlen zufolge noch nicht, denn mit 2,42 Prozent liegt der Wert für das zweite Quartal immmer noch im positiven Bereich, die Nachfrage ist also auch in diesem Quartal angestiegen, wenn auch nicht im gleichen Maße wie im Quartal zuvor. Die EZB nannte als Gründe für diese Entwicklung die trübe Verbraucherstimmung, ungünstigere Bedingungen auf dem Immobilienmarkt sowie eine geringere Ausgabenbereitschaft (1). Die letzten Zahlen für die darauffolgenden Quartale zeigten zwar schon wieder gewohnte Werte, doch für Q1 2021 wird ein Rückgang beim Bedarf an privaten Wohnungsbaukrediten erwartet.
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Veröffentlicht am 05.01.2017
Letztes Update am 06.09.2023 durch Daniel Franke
Quellen und weiterführende Links
(1) Cash Online – Kreditnachfrage der Unternehmen steigt in Coronakrise stark an
(-) Deutsche Bundesbank – Januar-Ergebnisse der Umfrage zum Kreditgeschäft (Bank Lending Survey) in Deutschland