Widerrufsfrist bei Verbraucherdarlehen fehlerhaft
Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz – Az. 8 U 1049/15
Zum Thema Widerrufsfrist und deren Start bzw. Ende sind in den vergangenen Jahren bereits zahlreiche Urteile verschiedener Gerichte in Deutschland gefällt worden. Immer wieder gab es Streitigkeiten darüber, was passiert, wenn die Dauer der Widerrufsfrist oder deren Beginn bzw. Ende in der entsprechenden Widerrufsbelehrung in einem Verbrauchervertrag missverständlich dargestellt ist.
Das Ziel ist klar: Die Widerrufsfrist soll dem Verbraucher seine Rechte aufzeigen, insbesondere das Recht dazu, einen geschlossenen Vertrag innerhalb einer festgelegten Frist zu widerrufen. Dies gelingt allerdings nur dann, wenn der Verkäufer bzw. Dienstleister eine klare und verständliche Widerrufsbelehrung gemäß den gesetzlichen Vorgaben in sein Angebot integriert.
Änderung der Gestzeslage
Mit dem 21.06.2016 hat der Gesetzgeber dem ewigen Widerrufsrecht oder dem sogenannten Widerrufsjoker ein Ende gesetzt. Ab diesem Zeitpunkt können fehlerhafte Widerrufsbelehrungen nur noch bis zu einem Jahr und 14 Tagen rückwirkend angefochten werden.
Folgende Ausführen beziehen sich daher auf einen vergangenen Fall in einer anderen Rechtssituation.
Ist der Beginn der Widerrufsfrist bei einem Verbraucherdarlehensvertrag missverständlich, so wird die Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt
Doch genau hier gab es immer wieder Probleme. Die gesetzlichen Vorgaben seien zu schwammig gewesen und müssten jeweils an das Produkt, die Branche bzw. den Verkäufer oder Dienstleister angepasst werden.
Es gab zwar eine Vorlage für die Widerrufsbelehrung, welche vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellt wird, diese sei allerdings nur als Universalversion zu betrachten, die für die wenigsten Einsatzzwecke einfach so unverändert übernommen werden könne.
So äußerten sich Gegner des ewigen Widerrufsrechts und rechtfertigten auf diese Weise die Umformulierungen der Vorgaben, die schlussendlich dann zum Zankapfel wurden.
Kleine Abweichungen in der Widerrufsbelehrung haben große Auswirkungen
Dass selbst kleinste Fehler in einer Widerrufsbelehrung mitunter verheerende Folgen haben können, zeigte auch eine Gerichtsverhandlung, die vor dem Oberlandesgericht Koblenz stattfand. Auch hier ging es um die Widerrufsbelehrung bzw. im Detail um den Beginn der Widerrufsfrist (1). Hier der genaue Sachverhalt, welcher der Verhandlung zugrunde lag:
Kläger war ein Kreditnehmer, der mit der beklagten Partei zwei Bereitstellungsdarlehensverträge über eine Summe von insgesamt knapp 200.000 Euro abgeschlossen hatte. Die Darlehensverträge wurden auf dem Wege des Fernabsatzes geschlossen. Zu den Verträgen erhielt der Kreditnehmer auch zwei Widerrufsbelehrungen, die identisch ausgestellt waren.
Knapp drei Jahre nach den Vertragsabschlüssen gab der Kläger gegenüber dem Kreditgeber an, die Darlehen nicht abzunehmen. Dafür verlangte der Kreditgeber eine sogenannte Nichtabnahmeentschädigung in Höhe von knapp 15.000 Euro, die der Kläger zahlte.
Widerruf des Kreditvertrages drei Jahre nach dessen Erledigung
Wiederum drei Jahre nach Absage der Darlehensaufnahme erhob der ehemalige Vertragsnehmer Klage auf Rückzahlung der Nichtabnahmeentschädigung, da sich seiner Meinung nach aus der Widerrufsbelehrung kein korrekter und eindeutiger Beginn der Widerrufsfrist habe entnehmen lassen. Der Fall ging zunächst vor das zuständige Landgericht, wo die Klage abgewiesen wurde. Daraufhin legte der Kläger Berufung ein.
Der Fall wurde nun erneut vor dem Oberlandesgericht Koblenz verhandelt. Das Gericht änderte das Urteil der Vorinstanz ab und sprach dem Kläger die Erstattung der Nichtabnahmeentschädigung zu.
Begründung der Richter: Selbst drei Jahre, nachdem Kläger und Beklagte vereinbart hatten, dass der Kläger das vertraglich abgeschlossene Darlehen nicht in Anspruch nimmt, habe dieser die Verträge wirksam widerrufen können. Dies sei insbesondere deshalb der Fall, weil über die abgeschlossenen Darlehen keine wirksame Widerrufsbelehrung im entsprechenden Vertrag zustande gekommen war.
Für das wirksame Begrenzen des Widerrufsrechtes in der Widerrufsbelehrung hätte der Beginn der Widerrufsfrist unmissverständlich deutlich gemacht werden müssen. Dies sei nach Meinung des Gerichts jedoch nicht geschehen.
Vielmehr sei der Beginn der Widerrufsfrist im Vertrag missverständlich dargestellt worden, so dass die Widerrufsfrist erst gar nicht in Gang gesetzt wurde. So stehe dem Vertragsnehmer auch nach einem Zeitraum von mehr als drei Jahren immer noch das Recht zu, den Vertrag wirksam zu widerrufen, ohne dafür eine Entschädigung an die Beklagte zahlen zu müssen.
Nachteile aus nicht ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung hat der Kreditgeber zu tragen
Im weiteren Verlauf der Verhandlung bezog sich das Gericht auch auf die Sonderregelung für Fernabsatzverträge gemäß § 312 c BGB (2). Auch diesbezüglich sah das Gericht die Widerrufsfrist nicht als erloschen an, da die angesprochene Regelung keine Anwendung bei Verbraucherdarlehensverträgen findet, in denen dem Verbraucher ein entsprechendes Widerrufsrecht zusteht, das nach dem Verbraucherkreditrecht geregelt ist.
Schlussendlich kamen die Richter noch auf die drei Jahre nach dem eigentlichen Vertragsabschluss getroffene Vereinbarung zwischen Kläger und Beklagter zu sprechen, nach der der Kläger die Darlehen nicht in Anspruch nimmt und die entsprechende Nichtabnahmeentschädigung zu zahlen hat.
Das Gericht stellte fest: Der ursprünglich geschlossene Vertrag sei durch die genannte Regelung nicht rückwirkend aufgelöst worden. Vielmehr sei der ursprünglich vereinbarte Erfüllungszeitpunkt für das Darlehen durch die Regelung lediglich vorverlagert worden. Dadurch hätte der Kläger sein Widerrufsrecht weder ausgeübt noch verwirkt.
Diesbezüglich sei festzustellen, dass die mit einer nicht ordnungsgemäß ausgeführten Widerrufsbelehrung verbundenen Nachteile ausschließlich durch den Verwender zu tragen sind. Dieser hätte die Möglichkeit gehabt, auch noch nach Vertragsabschluss den Kläger ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht zu belehren, was hier allerdings nicht geschehen sei.
Fazit: Ist die Widerrufsbelehrung fehlerhaft, kann der Darlehensvertrag widerrufen werden
Auch dieses Urteil bestätigte wieder einmal: Es kommt auf die Feinheiten an. Finden sich hier Fehler, und die Widerrufsbelehrung ist somit als nicht ordnungsgemäß und daher als nicht wirksam anzusehen, so gilt die Widerrufsfrist grundsätzlich als nicht gestartet.
Für den Vertragsnehmer hatte dies früher die Auswirkung, dass der Vertrag auf unbefristete Zeit widerrufen werden konnte – also auch noch nach mehreren Jahren. Seit Mitte 2016 gilt das nicht mehr.
Dem Kreditnehmer bleiben jetzt noch ein Jahr und vierzehn Tage nach dem Vertragsabschluss, um die Widerrufsklause anzugreifen und sein Widerrufsrecht nach der gesetzlichen Frist von mindestens vierzehn Tagen umzusetzen.
Quellen und weiterführende Informationen
(1) Werdermann von Rüden: Das Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 29.07.2016
(2) Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz – Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 312c Fernabsatzverträge