Kündigung von Bausparvertrag zur Zinsersparnis rechtens
Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz – Az. 8 U 11/16
Der Fall wurde bereits von uns beschriebenen, allerdings in der Vorinstanz: Es geht um die Kündigung von Bausparverträgen seitens der Bausparkasse zum Zweck der Zinsersparnis. Hierbei handelt es sich ausnahmslos um bereits langjährig bestehende Verträge, bei denen jedoch das Bauspardarlehen noch nicht in Anspruch genommen wurde.
Somit müsste die Bausparkasse die entsprechenden Einzelbeträge heute nach zu den damals vertraglich vereinbarten Zinssätzen verzinsen, obwohl sich das Zinsniveau an den internationalen Finanzmärkten innerhalb der letzten Monate und Jahre gravierend gesenkt hat.
Jahrzehnte alter Bausparvertrag soll gekündigt werden
In diesem Zusammenhang gibt es ein Urteil, das durch das Oberlandesgericht Koblenz gefällt wurde. Hier nochmals alle Details zum entsprechenden Sachverhalt sowie die genaue Urteilsbegründung bzw. die entsprechenden Hintergründe, vor denen das neue Urteil gefällt wurde:
In dem Fall ging es um einen Bausparer, der bereits 1977 einen Bausparvertrag abgeschlossen hatte. Auch die Zuteilungsreife des Vertrages liegt mittlerweile über zehn Jahre zurück, trotzdem nahm der Bausparer das Bauspardarlehen nicht in Anspruch.
Das Sparguthaben wird laut Vertrag jährlich mit 2,5 % verzinst, somit liegt der Zinssatz deutlich über den Zinssätzen, die momentan für Tagesgeld oder sogar für Festgeld geboten werden. Vor einiger Zeit wollte die zuständige Bausparkasse diesen Zustand nicht mehr hinnehmen und kündigte den Bausparvertrag.
Der Bausparer erklärte sich damit nicht einverstanden und wollte gerichtlich feststellen lassen, dass sein Bausparvertrag auch zukünftig fortbestehen soll und die entsprechenden 2,5 % Zinsen per anno auf das Sparguthaben gezahlt werden.
In erster Instanz wies das zuständige Landgericht die Klage ab und stellte fest, dass Banken keiner Verpflichtung obliegen, Sparguthaben aus nicht in Anspruch genommenen Bausparverträgen nach vielen Jahren mit Sätzen zu verzinsen, die nicht der aktuellen Lage an den Finanzmärkten entsprechen.
Gegen dieses Urteil legte der Kläger Berufung ein, woraufhin der Fall erneut vor dem zuständigen Oberlandesgericht – in diesem Fall das OLG Koblenz – verhandelt wurde.
Nach wie vor sind Bausparverträge ein probates Mittel, günstige Kreditzinsen zu bekommen. Gerade in der Niedrigzinsphase, deren Ende sich für viele abzeichnet, werden die Verträge interessant um in einigen Jahren vom heutigen Zinsniveau zu profitieren.
Bausparverträge dürfen seitens der Bausparkasse zum Zweck der Zinsersparnis gekündigt werden
Doch auch in dieser zweiten Instanz unterlag der Kläger, das Gericht gab der Klage nicht statt (1). Im Detail lautete die Begründung des OLG Koblenz: Die Kündigung der Bausparverträge durch die Bausparkasse ist wirksam und wird gestützt durch das Kündigungsrecht nach § 489 BGB.
Nach diesem Paragraphen kann ein Darlehensnehmer den geschlossenen Darlehensvertrag, welcher mit einem festen Zinssatz versehen ist, nach zehn Jahren und nach vollständigem Empfang kündigen. Diese Norm finde laut Gericht auch Anwendung auf Bausparverträge.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, wie es sich bei Bausparverträgen in verschiedenen Phasen mit den Bezeichnungen „Darlehensnehmer“ und „Darlehensgeber“ verhält. Bei herkömmlichen Kreditverträgen ist das Ganze einfach nachvollziehbar: Die Bank bzw. der entsprechende Dienstleister ist der Kreditgeber, der Verbraucher der Kreditnehmer.
Bei Bausparverträgen sieht die Sache allerdings etwas komplizierter aus. Dazu muss man zunächst die Ansparphase im Rahmen eines Bausparvertrages gesondert betrachten. Während dieser Phase dreht sich das Verhältnis von Darlehensnehmer und Darlehensgeber komplett um. Somit fungiert in der Ansparphase der Bausparer als Darlehensgeber und die Bausparkasse als Darlehensnehmer.
Bausparkassen sind vor wirtschaftlichen Problemen zu schützen
Während bei herkömmlichen Kreditverträgen der Verbraucher bzw. der Kreditnehmer gesetzlich davor geschützt wird, überhöhte Zinssätze zu zahlen, seien laut Ansicht des Gerichts im umgekehrten Fall auch die Bausparkassen davor zu schützen, Vertragsnehmern dauerhaft nicht mehr marktgerechte Zinssätze zahlen zu müssen, weil diese ihre vertraglich zugesicherten Darlehen nicht in Anspruch nehmen.
In einem solchen Fall könnte die Bausparkasse laut Ansicht des Gerichtes in eine wirtschaftliche Schieflage und somit in ernste Probleme geraten, wenn sie aufgrund nicht mehr ausreichender Nachfrage nach Bauspardarlehen die geschuldete Verzinsung nicht mehr komplett über das aktive Geschäft erwirtschaften kann.
Zurück zum hier beschriebenen, konkreten Fall: Laut gesetzlicher Bedingungen beginnt die Zehnjahresfrist im Sinne von § 489 BGB mit dem Eintritt der Zuteilungsreife des Bausparvertrags. Ab diesem Zeitpunkt sei der Bausparer dazu verpflichtet, seinen Anspruch auf den Erhalt der Bausparsumme entsprechend zu begründen.
Oberlandesgerichte im Einklang – fast
Bereits in vorangegangenen Fällen hatte das Oberlandesgericht Koblenz in der hier beschriebenen Weise beurteilt und steht damit auch im Einklang anderer Oberlandesgerichte, zum Beispiel das OLG Hamm, OLG Celle oder OLG Köln. Da jedoch das OLG Stuttgart in einem ähnlich gelagerten Fall anderer Auffassung war, wurde im hier vorliegenden Fall die Revision des Klägers zugelassen.
Das bedeutet konkret: Der unterlegene Bausparer hat die Möglichkeit, die Zulässigkeit der Kündigungen seiner Bausparverträge in höchster Instanz durch den Bundesgerichtshof klären zu lassen. Ob er davon Gebrauch macht, stand bei Redaktionsschluss jedoch noch nicht abschließend fest.
Obwohl die Anzahl der Bausparverträge in Deutschland, die seit mehr als zehn Jahren zuteilungsreif sind und bislang trotzdem man nicht in Anspruch genommen wurden, recht überschaubar ist, erwarten Experten nach einem abschließenden Urteil des Bundesgerichtshofs – sofern dieses in der hier beschriebenen Form ausfallen sollte – eine Welle an weiteren Kündigungen solcher Bausparverträge durch die Bausparkassen. Die Vertragsnehmer sollten sich entsprechend darauf einstellen.
Am 21. Februar 2017 hat der BGH Rechtsicherheit geschaffen und den Bausparkassen das Recht zugesprochen, Verträge die bereits seit zehn Jahren zuteilungsreif sind ordentlich mit einer Frist von sechs Monaten zu kündigen (2)
Quellen und weiterführende Informationen
(1) IWW Institut – Das Urteil des OLG Koblenz vom 29.07.2016
(2) Bundesgerichtshof – Bundesgerichtshof bejaht Kündigungsrecht einer Bausparkasse zehn Jahre nach Zuteilungsreife