Kündigung nicht zugeteilter Bausparverträge durch Bausparkasse
Urteile des Oberlandesgerichts Celle – Az. 3 U 207/15; Az. 3 U 230/15; Az. 3 U 37/16; Az. 3 U 38/16; Az. 3 U 86/16; Az. 3 U 136/16; Az. 3 U 154/16 und Az. 3 U 166/16
In den vergangenen Monaten hatten wir bereits mehrfach über einen besonders interessanten Sachverhalt in Verbindung mit der Kündigung von Bausparverträgen berichtet.
Es geht konkret gesagt darum, dass eine Bausparkasse eine ganze Reihe von langjährig bestehenden Bausparverträgen gekündigt hatte, bei denen die Bausparer das nach der Ansparphase bereitzustellende Darlehen auch nach einem Zeitraum von zehn oder mehr Jahren nicht abgerufen hatten.
Vielmehr nutzten die Bausparer ihre Verträge dazu, die vergleichsweise gute Verzinsung des angesparten Kapitals mitzunehmen – in einer Zeit, in der andere Anlagemodelle mitunter bedenklich schwächeln und kaum noch nennenswerte Zinssätze bieten können.
Durch die Kündigungen der langjährig bestehenden Verträge wollte die Bausparkasse diesbezüglich ein Zeichen setzen und sah sich im Recht, da hier das Instrument des Bausparvertrages nach eigener Meinung von den Kunden missbraucht wurde.
Wer sicher weiß, dass er in Zukunft einen sogennanten wohnwirtschaftlichen Zweck verfolgen möchte, der kann sich das niedrige Zinsniveau mittels Bausparvertrag sehr vorteilhaft sichern. Wir haben dazu die Tarife mit den günstigsten Darlehenszinsen aller deutschen Bausparkassen gegenübergestellt:
Streit um Bausparverträge hält Gerichte auf Trab
Die Vertragsinhaber dagegen beriefen sich auf die mit Vertragsabschluss festgelegten Bedingungen, nach denen ihnen zeitlich nicht vorgeschrieben werden kann, wann sie das Bauspardarlehen in Anspruch nehmen müssen.
Für die Gerichte ein besonders schwierig zu entscheidender Fall. Kein Wunder also, dass die Instanzen sehr unterschiedlich urteilten und die entsprechenden Fälle immer noch nicht in letzter Instanz abschließend entschieden werden konnten. Nun gibt es neue Nachrichten bzw. neue Urteile, die vom Oberlandesgericht Celle gesprochen wurden. Hier die genauen Details:
Zunächst noch einmal zur Erinnerung: In den zugrundeliegenden Streitfällen geht es um die Kündigung von Bausparverträgen, bei denen nach zehn Jahren oder mehr nach der Zuteilungsreife noch keine Darlehen in Anspruch genommen wurden.
Die Inhaber der Bausparverträge wollten jedoch weiterhin den für das angesparte Kapital vereinbarten Zinssatz erhalten, womit sich die Bausparkasse nicht einverstanden erklärte. Also kündigte diese die Bausparverträge, worauf die Bausparer Klage erhoben, durch die die Feststellung des Fortbestehens der Verträge besiegelt werden sollte.
Das Oberlandesgericht Celle folgte hierbei jedoch nicht den Ausführungen der Bausparer, sondern urteilte im Sinne der Bausparkasse. Das Gericht hielt die Kündigungen für gerechtfertigt, insbesondere in Bezug auf § 489 BGB, in dem das Kündigungsrecht für Darlehensnehmer geregelt ist.
Allein am OLG Celle häufen sich 130 Fälle auf
Bereits zuvor hatten die Oberlandesgerichte Hamm und Koblenz ähnlich geurteilt und die Kündigung der Bausparverträge als rechtens erachtet. Dagegen stehen die Entscheidungen des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 30. März 2016 sowie vom 4. Mai 2016, in denen das Gericht den Ausführungen der Kläger folgte und die Bausparkasse zum Fortführen der Verträge verurteilte.
Doch nicht in allen hier dargestellten Fällen urteilte das Oberlandesgericht Celle gleich. Allerdings weicht hier auch die Fallkonstellation etwas von der zuvor genannten ab. Die Bausparkasse hatte hierbei die Verträge unter Berufung auf § 488 BGB gekündigt, da die vollständige Bausparsumme bereits erreicht sei, insbesondere unter Einrechnung der Bonuszinsen.
In diesen Fällen erklärte das Oberlandesgericht die Kündigungen der Bausparverträge für unberechtigt. Die Begründung: Die Bonuszinsen entstanden erst dann, wenn der Bausparer eine entsprechende Erklärung – zum Beispiel den Verzicht oder die Kündigung – abliefert.
Diese Erklärung könne nicht durch die Einschätzung einer Bausparkasse ersetzt werden. Somit sei die Kündigung der Verträge nicht rechtmäßig, sie müssen fortgeführt werden. Mittlerweile haben sich allein beim Oberlandesgericht Celle ca. 130 weitere Fälle angehäuft, bei denen es um die Kündigung von langjährig bestehenden Bausparverträgen seitens der Bausparkassen geht.
Die meisten dieser Fälle sind jedoch in der ersten hier beschriebenen Konstellation angesiedelt. Trotzdem wird es nach Ansicht von Experten noch längere Zeit dauern, bis alle Fälle verhandelt worden sind und die entsprechenden Urteile gefällt wurden.
Und auch dann ist noch längst nicht sicher, ob die jeweils unterlegene Partei das Urteil annimmt oder in Berufung bzw. Revision geht. Es könnte also mitunter noch Jahre dauern, bis die hier beschriebenen Fälle schließlich in letzter Instanz verhandelt wurden.
Was sagen die Paragraphen 488 & 489 BGB aus?
Immer wieder ist in den beschriebenen Fällen und den damit verbundenen Gerichtsprozessen von den beiden Paragraphen 488 und 489 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Rede (1)(2). Doch was sagen diese Paragraphen überhaupt über die Möglichkeiten zum Kündigen von Bausparverträgen aus? Hier die wichtigsten Passagen.
§ 488 BGB Vertragstypische Pflichten beim Darlehensvertrag
(3) Ist für die Rückzahlung des Darlehens eine Zeit nicht bestimmt, so hängt die Fälligkeit davon ab, dass der Darlehensgeber oder der Darlehensnehmer kündigt.
§ 489 BGB Ordentliches Kündigungsrecht des Darlehensnehmers
(1) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise kündigen, wenn […]
2. in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten; wird nach dem Empfang des Darlehens eine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz getroffen, so tritt der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die Stelle des Zeitpunkts des Empfangs.
Der BGH schafft Rechtssicherheit
Das Hauptargument der Bausparkassen fokussiert die Frage, ob Bausparkassen Dralehensnehmer sind. Ist das der Fall, steht ihnen ein ordentliches Kündigungsrecht zu, zehn Jahre nachdem sie die volle Kreditsumme erhalten haben.
Der BGH sieht in der Konstellation zwischen Bausparkunde und Bausparkasse einen Rollenwechsel als gegeben an (3). In der Ansparphase gibt der Kunde dem Unternehmen Geld, was aus dem Unternehmen einen Kreditnehmer macht, der die Rückzahlung und einen Zins schuldet.
Erreicht der Bausparer die vertraglich vereinbarte Ansparsumme, ist daher juristisch gesehen das Darlehen von der Bausparkasse vollständig erhalten worden. Jetzt beginnt die Zeit für das Institut zu laufen und nach zehn Jahren kann sie den Vertrag ordentlich mit einer Frist von sechs Monaten kündigen. So wie jeder andere Kreditnehmer auch.
Das Urteil des BGH vom 21. Februar 2017 erzeugte viel Aufmerksamkeit. Schließlich hat statistisch gesehen jeder dritte Deutsche einen Bausparvertrag abgeschlossen.
Quellen und weiterführende Informationen
(1) Bundesminsiterium der Justiz und für Verbraucherschutz – Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 488 Vertragstypische Pflichten beim Darlehensvertrag
(2) Bundesminsiterium der Justiz und für Verbraucherschutz – Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 489 Ordentliches Kündigungsrecht des Darlehensnehmers
(3) Bundesgerichtshof – Bundesgerichtshof bejaht Kündigungsrecht einer Bausparkasse zehn Jahre nach Zuteilungsreife