Bausparverträge vorzeitig durch Bausparkasse gekündigt
Urteil des Landgerichts Stuttgart – Az. 12 O 100/15
Grundsätzlich genießen bei einem Kreditvertrag beide Parteien ein Kündigungsrecht. Allerdings gilt dieses nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen. Eine dieser Voraussetzungen ist, dass der Kreditnehmer ein Darlehen zunächst vollständig empfangen haben muss, sofern keine davon abweichenden Vereinbarungen getroffen wurden.
Doch wie verhält es sich in diesem Zusammenhang mit einem Bausparvertrag? Wann gilt hier das Darlehen als vollständig empfangen? Mit dieser Frage und ihren Auswirkungen hatte sich das Landgericht Stuttgart zu beschäftigen. Es ging im Detail um folgenden Sachverhalt:
Bausparkasse kündigt von sich aus einem Bausparer drei Verträge
Ein Bausparer hatte insgesamt drei Bausparverträge bei ein und derselben Bausparkasse abgeschlossen. Nachdem er einige Jahre in die Bausparverträge eingezahlt hat, sprach die Bausparkasse im Januar 2015 die Kündigung aller drei Bausparverträge aus.
In ihrer Begründung berief sich die Bausparkasse auf § 489, Abs. 1, BGB (1). Die Kündigung wurde seitens der Bausparkasse auch unter dem Gesichtspunkt ausgesprochen, dass sämtliche Bausparverträge zum Zeitpunkt der Kündigung bereits zuteilungsreif waren.
Der Bausparer zeigte sich mit dieser Entscheidung nicht einverstanden und akzeptierte die Kündigung seitens der Bausparkasse nicht. Seiner Meinung nach sei nicht der Umstand entscheidend, dass die Bausparverträge zum Kündigungszeitpunkt zuteilungsreif sind, sondern jener, dass die Bausparsummen in allen drei Verträgen noch nicht vollständig angespart waren.
Diesen Einwand wiederum akzeptierte die Bausparkasse nicht, worauf sie von ihrem Kunden verklagt wurde. Der Fall ging schließlich vor das Landgericht Stuttgart.
Das folgende Urteil ist mit der Entscheidung des BGH vom 21. Februar 2017 hinfällig geworden. Dort hatten die Richter entschieden, dass den Bausparkassen durchaus ein Kündigungsrecht zusteht, wenn seit der Zuteilungsreife des Bausparvertrages zehn Jahre vergangen sind (2).
Relevanz hat die hier besprochende Entscheidung daher maximal für Kündigungen von Bausparverträgen, die vor Ablauf der Zehn-Jahres-Frist ausgesprochen wurden. Lesen Sie dazu auch unseren Ratgeber „Wenn die Bausparkasse kündigt„.
Keine Kündigung, solange der Vertrag noch bespart werden kann
Im Urteil folgte das Gericht den Ausführungen des Klägers und entschied gegen die Bausparkasse. Die Richter stellten fest, dass der Bausparkasse kein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 BGB zugestanden habe.
Zwar sei die hier verankerte Vorschrift bei einem zuteilungsreifen Vertrag wirksam, allerdings sei es darauf in dem hier vorliegenden Fall nicht angekommen. Entscheidend sei dagegen, dass das jeweilige Darlehen noch nicht vollständig empfangen worden war.
Somit sei es trotz bestehender Zuteilungsreife für den Bausparer möglich gewesen, weiter Sparleistungen in die Bausparverträge so erbringen.
Sonderfall Bausparvertrag
In diesem Zusammenhang betonten die Richter die Besonderheit im Falle des Bausparens. Hier könne die Zuteilungsreife eines Bausparvertrags dem Empfang eines Darlehens nicht gleichgesetzt werden.
Wäre dies der Fall, so könnte der Bausparer den Zeitpunkt der Zuteilungsreife quasi beliebig bestimmen, was wiederum zu Nachteilen für die Bausparkasse führen würde – zum Beispiel in Form von Planungsschwierigkeiten.
Weiterhin betonten die Richter, dass in diesem fiktiv angenommenen Fall der vollständige Empfang des Darlehens nicht von den Darlehenskonditionen vom Bausparer an die Bausparkasse abhängen würde, somit sei die vorgesehene Rollenverteilung in der Ansparphase nicht gegeben.
Zur Klarstellung betonte das Gericht: Der vollständige Empfang eines Bauspardarlehens hänge von dessen Konditionen und somit von der zweiten Phase des Bausparvertrages ab. Ergo müsse die erste Phase (Ansparphase) von der zweiten Phase (Auszahlungsphase) jeweils getrennt betrachtet werden, unter anderem auch bei der Anwendung von Paragraph 489 Abs. 1 BGB.
Befürchtete Nachteile für Bausparkassen
Im weiteren Verlauf der Gerichtsverhandlung wendete der Rechtsvertreter der Bausparkasse ein, dass gemäß der hier dargelegten Sachverhalte ein Risiko für die Bausparkasse entstehe. Dieses Risiko sei insbesondere darin zu sehen, dass die Bausparkasse mit der Zuteilungsreife über einen von ihr nicht beeinflussbaren Zeitraum unter Umständen nicht marktgerechte Zinsen zahlen müsse.
Doch auch diesen Einwand ließ das Landgericht Stuttgart nicht gelten, die Richter hielten ihn für unbeachtlich. Schließlich unterliege die Bausparkasse auch vor der Zuteilungsreife eines Vertrags dem Risiko, einen unangepassten Zins zahlen zu müssen.
Zum Abschluss gab das Gericht zu bedenken, dass die Bausparsumme der einzige Betrag sei, der zwischen den Parteien beim Abschluss des Bausparvertrages vereinbart worden sei. Somit sei dies der Betrag, der beiden Parteien eine entsprechende Planungssicherheit biete.
Daher fehle es beim Abstellen auf den Zeitpunkt der Zuteilungsreife an einem Darlehensbetrag, der an die Bausparkasse entrichtet werden müsse. Somit könne hier auch nicht § 489 Abs. 1 BGB zur Anwendung kommen.
Der Klage wurde also stattgegeben, die Bausparkasse musste daraufhin die Kündigung der drei Bausparverträge zurücknehmen und es dem Kunden ermöglichen, auch weiterhin Sparleistungen in die Bausparverträge zu erbringen.
Dieses Urteil zeigt wieder einmal sehr anschaulich, dass die Rechtsauffassung von Banken, Versicherungen und Bausparkassen häufig von denen der Gerichte stark abweichen. Oftmals sind es nur kleine Details, die über eine Rechtsgültigkeit entscheiden. Es kann sich daher immer lohnen, durch den Vertragspartner getroffene Entscheidungen zu hinterfragen und eventuell auch rechtlich anzufechten.
Quellen und weiterführende Informationen
(1) Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz – Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 489 Ordentliches Kündigungsrecht des Darlehensnehmers
(2) Bundesgerichtshof – Zur Pressemitteilung des BGH über das Kündigungsrecht der Bausparkassen