Bank haftet bei Darlehen für Schrottimmobilie
Urteil des Oberlandesgerichts Dresden – Az. 9 U 1758/11
Wer bei seiner Hausbank oder einem anderen Kreditinstitut ein Darlehen aufnehmen möchte, der muss in der Regel seine persönliche finanzielle Situation bis ins kleinste Detail darlegen. Hinzu kommt, dass viele Banken das zu finanzierende Objekt zunächst genau begutachten, bevor die Zusage für eine Kreditvergabe erfolgt. Dies gilt insbesondere für größere Finanzierungen wie Immobilien.
In einigen Fällen mussten Kreditnehmer jedoch auch die Erfahrung machen, dass die Bank ihnen den Kredit für das betreffende Objekt quasi „aufschwätzen“ wollte, ohne dafür die üblichen Prozesse zum Überprüfen der finanziellen Verhältnisse des Kreditnehmers vorzunehmen und ohne das zu finanzierende Objekt genauer unter die Lupe zu nehmen. Warum verhalten sich manche Kreditinstitute in dieser Weise?
Experten sind sich einig: Insbesondere wenn es um die Vermittlung und Finanzierung von Immobilien geht, versuchen manche Banken, ihren Kunden sogenannte Schrottimmobilien zu überhöhten Preisen anzudrehen und aus der entsprechenden Kreditvermittlung Kapital zu schlagen, obwohl bereits im Vorhinein bekannt ist, dass beispielsweise die Mieteinnahmen aus dem betreffenden Objekt die Raten für den Kaufpreis nicht annähernd ausgleichen können.
Erhoffte Mieteinnahmen bleiben aus
Doch wie sieht die gesetzliche Situation in einem solchen Fall aus? Ist die Bank dazu verpflichtet, das Kreditvorhaben genau zu prüfen und – wenn ja – in welchem Umfang? Mit einem derart gelagerten Fall hat sich kürzlich das Oberlandesgericht Dresden auseinanderzusetzen. Folgender Sachverhalt lag der Gerichtsverhandlung zugrunde:
Ein Ehepaar hatte eine Eigentumswohnung in Ostdeutschland zum Kaufpreis von 190.000 Euro erworben und wollte diese als Kapitalanlageobjekt nutzen. Die Bank stellte den vollen Kaufpreis in Form eines Darlehens zur Verfügung, ohne die für die Kreditvergabe üblichen Bonitätsnachweise zu fordern und ohne das Objekt im Vorfeld genauer zu begutachten.
Nachdem die Eigentumswohnung gekauft war und einige Monate vergingen, merkten die Kreditnehmer, dass die Mieteinnahmen für die Wohnung deutlich geringer lagen als die Beträge, welche das Ehepaar für die Tilgung und Zinsen an die Bank zahlen mussten. Daraufhin stellte das Ehepaar die Zahlungen für das bei der Bank aufgenommene Darlehen ein. Die Bank reagierte hierauf mit der Einleitung der Zwangsvollstreckung.
Im Rahmen dieser Einleitung versuchte die Bank erst gar nicht, die Eigentumswohnung selbst zu versteigern oder anderweitig zu verwerten, sie leitete direkt persönliche Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen die Kreditnehmer ein.
Bank muss bei leichtfertiger Vergabe von Darlehen für sogenannte Schrottimmobilien haften
Diese wehrten sich gegen die angesprochenen Maßnahmen durch eine Klage, da sie der Meinung waren, das Kreditinstitut hätte ihnen eine sogenannte Schrottimmobilie geradezu aufgeschwätzt, und die Bank hätte zudem im Vorhinein gewusst, dass das betreffende Objekt für die Anleger niemals rentabel sein würde.
Das Gericht folgte den Ausführungen der Kläger und gab somit der Klage statt. (1) Es wurde festgestellt, dass ein Kreditnehmer die Finanzierung einer Immobilie zu 100 Prozent durch die Bank als Beleg dafür werten darf, dass das Kreditinstitut die Einschätzung des Kreditnehmers bezüglich des Kaufpreises für das Objekt als angemessen teilt. In diesem Zusammenhang ist die Bank dazu verpflichtet, bereits vor der Kreditvergabe zu prüfen, ob die Angemessenheit des Preises wirklich gegeben ist.
Unterbleibt eine solche Überprüfung, so ist das Kreditinstitut gegenüber dem Kreditnehmer zum Schadenersatz verpflichtet, sofern eine sittenwidrige Überhöhung des Kaufpreises vorliegt. Im hier vorliegenden Fall attestierte ein Gutachter vor Gericht im Hinblick auf die 190.000 Euro, die das Ehepaar für die Wohnung gezahlt hatte, einen zu knapp 80 Prozent überhöhten Kaufpreis. Damit läge laut Meinung des Gerichts eine Sittenwidrigkeit auf jeden Fall vor.
Somit verurteilte das Gericht das Kreditinstitut, gegenüber den Kreditnehmern entsprechenden Schadenersatz zu leisten und sie so zu stellen, als hätten sie die Immobilie erst gar nicht erworben.
Meinung zum Urteil
In den vergangenen Jahren wurde vor verschiedenen Gerichten in Deutschland und im europäischen Ausland häufig darüber gestritten, ab wann bei einem überhöhten Kaufpreis die sogenannte Sittenwidrigkeit zu attestieren ist. Einige Gerichte vertraten dabei die Auffassung, dass die Sittenwidrigkeit erst dann gegeben ist, wenn eine mindestens knapp doppelt so hohe Überteuerung vorliegt.
In diesem Zusammenhang wäre der hier vorliegende Fall wohl anders ausgegangen, denn eine mindestens knapp doppelt so hohe Überteuerung bedeutet, dass ca. 85 – 90 Prozent mehr bezahlt wurden, als das Objekt wert ist. Im hier vorliegenden Fall waren es jedoch „nur“ 80 Prozent. Trotzdem wertete das Gericht diesen überhöhten Kaufpreis als sittenwidrig.
Ein weiterer ausschlaggebender Punkt im hier vorliegenden Urteil betrifft die Tatsache, ob die Bank Kenntnis davon hatte, dass die Immobilie überteuert war und nicht die versprochene bzw. erhoffte Rendite abwerfen würde.
Zusätzlich ist eine solche Kenntnis durch ein Gericht nur äußerst schwer nachweisbar. Daher haben sich die Richter insofern geholfen, dass sie eine hundertprozentige Finanzierung, ohne zuvor die finanziellen Verhältnisse des Kreditnehmers und das Objekt genau zu überprüfen, als Indiz dafür sehen, das dass Kreditinstitut entsprechende Kenntnis vom wahren Objektwert gehabt haben muss.
Bewusstes Wegschauen: BGH schafft Präzedenzfall
In diesem Zusammenhang hatte auch der Bundesgerichtshof bereits eine Grundsatzentscheidung getroffen (2), in der von einem „bewussten Augenverschließen“ die Rede war, welches der positiven Kenntnis unter bestimmten Voraussetzungen gleichstehen kann. Generell, so die Richter am BGH, sei der zuständige Bankmitarbeiter nach Treu und Glauben nicht dazu berechtigt, seine Augen zu verschließen, wenn sich wichtige Fragen geradezu aufdrängen.
Ein bewusstes Wegschauen der Banken würde eine entsprechende Schadenersatzpflicht nach sich ziehen, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die Renditeerwartungen und die tatsächlich erzielte Rendite weit auseinanderliegen.
Dieses Urteil dürfte für Anleger – insbesondere im Immobilienbereich – durchaus Signalwirkungen haben. Es sagt aus, dass der Kreditnehmer auch dann vor dem Kauf einer sogenannten Schrottimmobilie geschützt ist, wenn er sich zu 100 Prozent auf die Aussagen seiner Bank verlässt.
Den Banken obliegt hierbei eine besondere Verantwortung, die sie in der Vergangenheit oftmals nicht in ausreichendem Maß wahrgenommen haben. Dies wird sich in Zukunft höchstwahrscheinlich ändern, wenn das hier gesprochene Urteil als Präzedenzfall wahrgenommen wird.
Quellen und weiterführende Informationen
(1) Justiz Sachsen – Das Urteil des Oberlandesgerichts Dresden (PDF)
(2) Bundesgerichtshof – Urteil des BGH zur Aufklärungspflicht von Banken bei zu teuren Immobilien