Eigenbedarfskündigung für gewerbliche Wohnraumnutzung
Der VIII. Zivilsenat des BGH hatte sich einmal mehr mit dem Thema Eigenbedarfskündigung zu beschäftigen. Im vorliegenden Fall sollte privater Wohnraum für das eigene Unternehmen umfunktioniert werden.
Mietwohnung sollte für Beratungsunternehmen genutzt werden
Der Mieter bewohnt seit dem Jahr 1997 in Berlin eine im Vorderhaus gelegene Zweizimmerwohnung. Im Jahr 2008 erwarb die Klägerin im Rahmen einer Zwangsversteigerung das Anwesen. Mit dem Erwerb trat sie die Nachfolge des Vorbesitzers als Vermieterin an.
Der Ehemann der Klägerin betreibt ebenfalls im Vorderhaus ein Beratungsunternehmen. Im Laufe der Zeit wurden die gewerblich genutzten Räumlichkeiten zu eng. Es erfolgte die Kündigung der vermieteten Wohnung, da diese als Archiv und für einen zusätzlichen Arbeitsplatz genutzt werden sollte.

Die Vorinstanzen, das Amtsgericht Charlottenburg und das Landgericht Berlin, sahen den Kündigungsgrund als gegeben an, da die berufliche Tätigkeit des Ehemannes der Klägerin ein berechtigtes Interesse im Rahmen des Eigenbedarfs nach § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB darstellt (1).
Allerdings sahen beide Gerichte einen wesentlichen Hinderungsgrund für die rechtmäßige Kündigung. Das Land Berlin untersagt die Zweckentfremdung von Wohnraum zu gewerblicher Nutzung (2).
Da das Landgericht Berlin jedoch eine Revision zugelassen hatte (Urteil vom 13. Januar 2016 – 18 S 74/15), ging die Klägerin bis vor den Bundesgerichtshof (3).
Die Entscheidung des BGH
Der BGH stellte mit seinem Urteil vom 29. März 2017 (VIII ZR 45/16) den Paragraf 573 BGB (4) in keiner Weise infrage, warf aber die Überlegung auf, ob eine gewerbliche Nutzung den gleichen Stellenwert habe, wie beispielsweise der Bedarf an Wohnraum eines Angehörigen des Vermieters.
Wie bei Urteilen dieser Art ließen die Richter in Hinblick auf die Grundsätzlichkeit des Urteils fast schon salomonische Weisheit walten. Mit einem definitiven „sowohl als auch“ wiesen sie zwar in diesem speziellen Fall die Klage ab, hielten aber die Option der jeweiligen Einzelfallentscheidung offen.
Die Eigennutzung des Wohnraums als gewerblich oder freiberuflich genutzte Fläche widerspricht der Definition des Absatzes 2, § 573 BGB zum Recht auf Eigenbedarf.
„ … der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt …“

Grundsätzlich stellt der BGH das Eigeninteresse des Eigentümers in Zusammenhang mit § 573, Abs. 2 über das Interesse des Mieters. Dieses Eigeninteresse tritt jedoch dann in den Hintergrund, wenn das Interesse des Mieters an der Erhaltung seines Lebensumfeldes durch gewerbliche Interessen des Vermieters eingeschränkt würde.
Grundsätzlich sind daher die Interessen abzuwägen. Klagt der Vermieter auf Eigenbedarf, weil er in einer Wohnung nicht nur arbeiten, sondern diese auch zu Wohnzwecken nutzen und zu seinem Lebensmittelpunkt machen möchte, treten die Interessen des Mieters in den Hintergrund.
Eine rein berufliche Nutzung folgt jedoch den Interessen des Mieters an seinem Lebensmittelpunkt nach. Lediglich bei gravierenden Sachverhalten sei der berufliche Eigenbedarf gerechtfertigt.
Dazu zählt laut BGH beispielsweise eine nicht mehr profitable Geschäftsführung oder die parallel zur beruflichen Tätigkeit stattfindende Aufsicht oder Pflege von Familienangehörigen in der beruflich genutzten Wohnung.
Mieter, die sich in diesem Zuge den Kauf der eigenen vier Wände vorstellen können, profitieren enorm vom niedrigen Zinsniveau. Gleichzeitig sind die Preise aufgrund der hohen Nachfrage sehr gestiegen. Es gilt vernünftig abzuwägen.
Die Konsequenzen
Zunächst einmal dürften die Mieterschutzverbände diese Kehrtwendung in der Rechtssprechung des BGH begrüßen. Noch im Jahr 2012 lautete diese nämlich gänzlich gegensätzlich (5).
Das Urteil bedeutet keine grundsätzliche Ablehnung bei gewerblich bedingter Eigenbedarfskündigung, setzt die Leitplanken jedoch deutlich enger. Für Mieter hat dieses Urteil grundsätzlich einmal ein positives Signal.
Gerade, wenn sich ein solcher Rechtsstreit im Land Berlin abzeichnet, welches die Wohnraumzweckentfremdung über den beruflich bedingten Eigenbedarf stellt.
Prinzipiell dürfte die Interpretation des BGH aber auch in anderen Bundesländern aufgegriffen werden. Der Deutsche Mieterbund war auf jeden Fall über das Urteil hoch erfreut und äußerte in der F.A.Z. online vom 29.3.2017 (6):
„Damit habe der BGH die Aufweichung des Kündigungsschutzes gestoppt. „Das ist richtig und war dringend erforderlich“, meinte Lukas Siebenkotten, der Direktor des Mieterbundes.“
Quellen und weiterführende Informationen
(1)(4) Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz – Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 573 Ordentliche Kündigung des Vermieters
(2) Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz Berlin – Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum
(3) Bundesgerichtshof – Urteil des Bundesgerichtshof zur Kündigung von Mietverhältnissen zu Gunsten gewerblicher Eigennutzung (PDF)
(5) Openjur.de – Eigenbedarf aus betrieblichen Gründen in 2012 noch zugelassen
(6) Frankfurter Allgemeine Zeitung – Eigentümer darf Mietwohnung nicht zum Aktenlager umfunktionieren